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„Warum so viel Geld für wenig Publikum?“

08/07/2013 | Salzburger Nachrichten | Hedwig Kainberger

[...] ORF-Kultur. Der ORF muss auf Sparkurs bleiben, doch der Bachmann-Preis wird gerettet.

Hedwig Kainberger Selten wurde ein ORF-Generaldirektor so gescholten, wie Alexander Wrabetz, als er bekannt gegeben hatte, dass die Bachmann-Tage dem Rotstift zum Opfer fallen. Am Sonntag wurde beschlossen, die Bachmann-Tage zu retten. Die Botschaft lautet: Der Bachmann-Preis ist gerettet. Ist das an Bedingungen geknüpft? Wrabetz: Nein. Der Bachmann-Preis bleibt. Wir planen das mit einem Zeithorizont von fünf Jahren.

Allerdings gibt es zwei wichtige Grundlagen für die Entscheidung: Erstens sind zwei namhafte Sponsoren bereit, uns zu unterstützen. Und zweitens haben wir die Zusage vom Kärntner Landeshauptmann und von der Kärntner Landesregierung, unsere Forderung mitzutragen, dass der Bund weiterhin unseren Einnahmenverlust aus der Gebührenbefreiung refundiert (in den letzten vier Jahren 40 Mill. Euro pro Jahr, Anm.).

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ, Anm.) hat versichert, sich in der Landeshauptleutekonferenz dafür einzusetzen. Und in der Landesregierung sitzen mit Wolfgang Waldner ein prominenter Politiker der ÖVP und mit Rolf Holub ein maßgeblicher Politiker der Grünen.

Was ist, wenn der ORF die Refundierung nicht bekommt?

Wrabetz: Es ist das Ziel, dass wir die Hälfte der bisher vom ORF finanzierten 350.000 Euro von Sponsoren bekommen. Wir hoffen, die zweite Hälfte mithilfe der Refundierung tragen zu können. Schlimmstenfalls müssen wir sonst irgendwie umschichten.

Vor zwei Wochen sagten Sie: Der ORF werde den Bachmann-Wettbewerb 2014 „ganz sicher nicht mehr durchführen“. Was hat Ihre Ansicht geändert? Wrabetz: Erstens wurde unser Hinweis gehört, dass wir auch wichtige Dinge nicht unbegrenzt finanzieren können, wenn die Gebührenrefundierung wegfällt.

Zweitens hat es von Stadt Klagenfurt, Land Kärnten und von vielen Persönlichkeiten aus dem deutschsprachigen Raum eine klare Positionierung für den Preis gegeben. Und drittens kam die klare Ansage von Sponsoren.

Warum hatten Sie Zweifel, dass dieses Wettlesen nicht fürs Fernsehen taugt? Wrabetz: Die habe ich nie gehabt. Warum wollten Sie es dann nicht fortführen?

Wrabetz: Dieser Wettbewerb ist die größte Kulturaktion, die ein kleines Landesstudio für einen ganzen Sprachraum ausrichtet. Es wurde immer wieder gesagt, für dem ORF mit seinen 900 Millionen Euro Jahresumsatz werde es auf die 350.000 Euro nicht ankommen. Faktum ist aber: Das Landesstudio Kärnten muss wegen der Sparmaßnahmen von seinen neun Millionen Euro nun fast eine Million einsparen. Da sind 350.000 Euro ein gewichtiger Beitrag. Deshalb ist es ernst zu nehmen, wenn das Landesstudio Kärnten sagt, wir können das nicht mehr weiter stemmen.

Hier wird deutlich: Man kann dem ORF nicht laufend Geld wegnehmen und zugleich erwarten, dass er alle Leistungen unverändert fortsetzt.

Außerdem: An den 350.000 Euro sind die Übertragungskosten der kleinste Teil. Es geht um die Organisation und Ausrichtung dieses Preises. Nirgendwo auf der Welt wird so ein gewichtiger Literaturpreis von einer Rundfunkanstalt ausgerichtet.

Auf die Gefahr hin, dass Unterzeichner von Protestnoten uns beide steinigen: Wie hoch war die Quote der Übertragungen des Bachmann-Wettbewerbs? Wrabetz: Nach der Quote darf man das nicht entscheiden. Denn es ist klar, dass das kein Quotenhit ist.

Im deutschen Sprachraum haben einige Hunderttausend Leute zumindest teilweise im Fernsehen zugeschaut. Obwohl ich noch keine endgültigen Zahlen habe, ist abzusehen, dass heuer die Zahl der Internetabrufe jene der Fernsehzuseher überstiegen hat.

Wie viele Zugriffe über Internet wurden registriert?

Wrabetz: Wenn es am Sonntag ähnlich war wie an den Vortagen, werden wir etwa 400.000 Internetabrufe haben, und die aus etwa fünfzig Ländern auf fünf Kontinenten. Das ist schon etwas.

Und wie gesagt: Quoten sind hier nicht das entscheidende Kriterium. Wir erreichen mit dem Bachmann-Preis Literaturinteressierte im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Damit tun wir etwas für den Kulturstandort Österreich!

Ihre Ansage, den Bachmann-Wettbewerb und die „musikprotokolle“ beim „steirischen herbst“ einzustellen, hat heftige Reaktionen nach sich gezogen. Martin Kusej, Direktor des Münchener Residenztheaters, schreibt: „nur mehr Dumpfbacken-TV“. Elfriede Jelinek stellt fest: „Der ORF scheint sich selbst ausradieren zu wollen. Was folgt, ist nur mehr ein großes Nichts im Musikantenstall.“ Markus Hinterhäuser, Intendant der Wiener Festwochen, schreibt: „Was für ein trauriges, ideen- und identitätsloses Bild der ORF mit einer solchen Entscheidung abgibt!“ Was sagen Sie dazu? Wrabetz: Der ORF ist oft Reibebaum. Und einiges von der Kritik, deren Auslöser ja jetzt eh nicht schlagend wird, war wenigstens erstklassig formuliert.

Ich halte das alles auch für etwas bedauerlich, weil man den Sack haut, aber den Esel meint. Der Grund für unsere Einsparungen ist ja nicht, dass der ORF diese Dinge nicht mehr machen will, sondern dass dem ORF Geld entzogen wird.

Viele Kunstschaffende könnten sich auch auf unsere Seite stellen und sagen: Gebt dem ORF, was ihm zusteht, damit wir weitermachen können, was wir bisher getan haben! Das habe ich vermisst.

Aber wir werden auch die, die sich in der Debatte geäußert haben, in Gespräche einbeziehen, wie man den Bachmann-Preis weiterentwickeln kann.

Wen denn?

Wrabetz: Zum Beispiel Michael Köhlmeier (der in seiner Eröffnungsrede den Bachmann-Wettbewerb kritisiert hat, Anm.). Mich freut besonders, dass er seine Mitwirkung zugesagt hat. Michael Köhlmeier sagte vor Kurzem im „profil“ über Sie und den Bachmann-Preis: „Eine unsägliche PR-Leistung des Generaldirektors: Nicht genügend! Setzen! Fünf!“ Irritiert Sie das? Wrabetz: Köhlmeier ist ein fantastischer Schriftsteller, er ist einer der besten des deutschsprachigen Raums.

Ich kämpfe seit fünfzehn Jahren – erst als Kaufmännischer Direktor, jetzt als Generaldirektor – dass der ORF Rahmenbedingungen hat, in denen wir all das tun können, was man von uns erwartet. Das ist kein einfacher Job, da muss man sich manchmal unangenehmen Debatten stellen. Aber was zählt, ist das Ergebnis. Sie sind also nicht zimperlich. Wrabetz: Mich freut, was wir in Klagenfurt erreicht haben. Das Finale des Wettbewerbs war toll. Wir haben es geschafft, den Bachmann-Wettbewerb zu retten, und das zu für den ORF vertretbaren Kosten. Bei allem Unangenehmen, mit dem dieser Job manchmal verbunden ist, so etwas macht auch Freude.

Kunst- und Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) hat die Petition „rettet das musikprotokoll“ unterschrieben und dabei gewarnt: „Es darf nicht sein, dass in wirtschaftlich turbulenten Zeiten die Kunst als erstes dem Rotstift zum Opfer fällt.“ Stimmt dieser Eindruck der Ministerin? Wrabetz: Nein, natürlich nicht. Dass wir ein Sparprogramm haben, ist bedauerlich, aber wir müssen es umsetzen. Es wäre einfacher gewesen, hätte die Bundesregierung im Frühjahr die Gebührenrefundierung verlängert.

Trotzdem bleiben viele Kulturaktivitäten des ORF aufrecht. Wir verstehen uns nach wie vor als die wichtigste Kulturplattform des Landes. Wir schränken den Radiosender Ö1 nicht ein, sondern haben dort freie Mitarbeiter sogar bessergestellt. Wir stellen das RSO (Radio-Symphonieorchester) nicht infrage. Wir machen FM4 weiter. Wir machen ORF III weiter. Wir halten die starke Stellung der Kultur in ORF 2. All diese Prioritäten sind in der jüngsten Diskussion etwas untergegangen.

Und das Sparprogramm kommt bei Weitem nicht ausschließlich und auch nicht überwiegend im Bereich der Kultur zum Tragen. Wir werden noch genügend Diskussionen haben mit Sportinstitutionen und jenen, die hinter Unterhaltungssendungen stehen.

Wie ist bei all dem Ihre Aufgabe als Generaldirektor? Wrabetz: Meine Aufgabe ist, dass wir unter diesen schwierigen Bedingungen möglichst viele unserer Aktivitäten erhalten. Dabei müssen wir auf die massenwirksamen Programme achten, auch wenn Intellektuelle und Künstler da oft ihre Nasen rümpfen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, für den alle zahlen, kann nur funktionieren, wenn er allen etwas anbietet. Es ist unser Auftrag, Programm für alle zu machen.

Ließen wir uns in schmale Bereiche abdrängen, verlören wir à la longue unsere Finanzierungsbasis. Machten wir Programme nur für ein paar Zehntausend Leute, würde es bald heißen: Warum so viel Geld für so wenig Publikum? Diese Balance zwischen Massenprogramm, kulturpolitischen Aufträgen und der Vielfalt der Interessen der Österreicher müssen wir finden.

Der Bachmann-Preis ist jetzt für fünf Jahre gerettet. Was wird aus den „musikprotokollen“?

Wrabetz: (lacht) Dieses Wochenende war der Bachmann-Preis. [...]




In Klagenfurt passiert der Sündenfall

05/07/2013 | Salzburger Nachrichten Nr. 154 | Hedwig Kainberger

[...] ORF-Kultur. Weil der Bachmannpreis in Gefahr ist, holen Künstler und ihre Vertreter zum Globalangriff gegen den ORF aus.

Hedwig Kainberger Wien, Klagenfurt (SN). Die Empörung gegen den ORF erreicht unerwartete Intensität und Breite. Die Absage für Bachmannpreis und „musikprotokoll“ für 2014 ist wie der Südenfall, also wie der unverzeihliche Bruch des Kulturauftrags des ORF. Nach Petitionen und Briefen meldete sich am Donnerstag auch jene Institution, die jede ehrwürdige Stadt – von Dresden bis Salzburg – zum Zittern bringt, wenn ihr Kulturerbe in Gefahr ist: die UNESCO.

Die Österreichische UNESCO-Kommission versandte am ersten Tag des Bachmann-Wettbewerbs einen offenen Brief an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Darin wird der Vorwurf erhoben: „Der ORF reduziert Kunst auf Kulinarik und Kultur auf Unterhaltung.“ Damit werde der Kultur- und Bildungsauftrag verhöhnt.

Daraus wird gefolgert: „Wir fordern den ORF dazu auf, den Sparstift bei den explodierenden Sport- und Unterhaltungsrechtekosten anzusetzen.“ Und: „Am ohnehin geschrumpften Volumen der Kunst- und Kulturprogramme darf sich nichts mehr zum Schlechteren ändern.“ Für jedes nicht fortgeführte Projekt sei ein gleichwertiger Ersatz nötig.

Die Unterzeichner berufen sich auf ein UNESCO-Übereinkommen, das seit 2007 für Österreich rechtlich bindend ist. Dieses betrifft „den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ und dient dazu, die Vielfalt an Kultur von Produktion bis Verbreitung sicherzustellen. Die Unterzeichner des offenen Briefes sind Geschäftsführer österreichischer Interessenvertretungen von Künstlern, wie von Filmschaffenden, Autoren, Musikern und Theaterschaffenden. Was haben Filmemacher mit dem Bachmannpreis zu tun? Dessen Abschaffung wie jene des „musikprotokolls“ seien „ein Symbol für die Demontage des öffentlich-rechtlichen Auftrags im ORF“, sagt Maria Anna Kollmann vom Dachverband der österreichischen Filmschaffenden. „Das schneidet in den Kernauftrag des ORF hinein.“ Es gehe um mehr als diesen Literaturwettbewerb, sagt Maria Anna Kollmann. Erstens zeige der Umgang mit dem Bachmannpreis, wie „die Literatur immer mehr und mehr aus dem ORF verschwindet“. Zweitens treffe diese Art von Spargesinnung das gesamte künstlerische Schaffen, insbesondere den Film. Der ORF habe angekündigt, bei Dokumentarfilmen zu sparen und die dok.film-Schiene zu streichen. Und vereinbarte Projekt mit Filmschaffenden würden ohne Angabe von Gründen abgesagt.

Pro Bachmann-Lesung geht es laut ORF um 350.000 Euro. Für Filmschaffende stehen laut Kollmann 80 Millionen Euro pro Jahr auf dem Spiel. Damit sei „die gesamte Infrastruktur der Branche bedroht“, also an die 2000 Arbeitsplätze und 170 Unternehmen.

Einen weiteren Grund für die Empörung schildert Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen/Autoren: Mit „musikprotokoll“ in Graz und Bachmannpreis in Klagenfurt ziehe der ORF die letzten überregionalen Kunstprogramme aus den Ländern. Dies bedeute „eine Provinzialisierung“ der Landesstudios. Anders gesagt: ORF-taugliche österreichische Kunst und Kultur wird künftig ausschließlich in Wien gestaltet.

ORF-Generaldirektor Wrabetz war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. [...]




Kulturschaffende protestieren gegen ORF-Kürzungen

05/07/2013 | Kurier | pwi

[...] Widerspruch.Weiter Aufregung um die geplanten ORF-Einsparungen bei Filmproduktionen, Bachmann-Preis, Musikfonds und dem Festival musikprotokoll. Unter dem Dach der ARGE Kulturelle Vielfalt protestieren Film-, Theater- und Kulturschaffende sowie Autoren gegen diese "Erosion des Kultur- und Bildungsauftrags".

Als öffentlich-rechtlicher Sender habe der ORF "die Versorgung mit Kultur- und Bildungsprogrammen zu garantieren und nicht den Medienmainstream zu fördern, er hat eigene Programme zu produzieren bzw. produzieren zu lassen anstatt Konserven und Kaufprogramme zu spielen".

"Der ORF reduziert Kunst auf Kulinarik und Kultur auf Unterhaltung - und will damit seinem Kultur- und Bildungsauftrag entsprechen."

Die geplanten Kürzungen seien folgerichtig zurückzunehmen. [...]




Die öffentlich-rechtlichen Aufgaben des ORF

05/07/2013 | Die öffentlich-rechtlichen Aufgaben des ORF |

Offener Brief österreichischer Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen

Initiative der unterzeichnenden Mitglieder der ARGE Kulturelle Vielfalt, dem Gremium der Österreichischen UNESCO-Kommission zu Begleitung und Monitoring der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (BGBl. III Nr. 34/2007)* aus Perspektive der österreichischen Kunst- und Kulturschaffenden. 

Wien, 4. Juli 2013

Sehr geehrter Herr Generaldirektor! 

Der ORF montiert derzeit seinen Kultur- und Bildungsauftrag in aller Öffentlichkeit ab – und alle sehen ihm dabei zu. Wir, als Vertretungen von Kunst-, Kultur- und Bildungs-einrichtungen, können und wollen uns diese ZuseherInnenrolle nicht leisten. Es ist nicht egal, ob und wie der ORF seinen Kultur- und Bildungsauftrag wahrnimmt. Es ist nicht egal, welchen Stellen¬wert Kunst und Kultur im öffentlichen Leben und im Programm des ORF haben.

Erosion des Kultur- und Bildungsauftrags

Als öffentlich-rechtlicher Sender hat der ORF zuallererst seinen gesetzlichen Kernauftrag wahr¬zunehmen. Er hat die Versorgung mit Kultur- und Bildungsprogrammen zu garantieren und nicht den Medienmainstream zu fördern, er hat eigene Programme zu produzieren bzw. produzieren zu lassen anstatt Konserven und Kaufprogramme zu spielen. 

Dieses Versäumnis hat auch die Aufsichtsbehörde KommAustria dem ORF beschieden: Aufgrund des eklatanten Missverhältnisses der Kategorien Information, Kultur, Sport und Unterhaltung kommt die KommAustria zu dem eindeutigen Schluss: „Dadurch wurde das ORF-Gesetz im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag verletzt.“ (1)

Der ORF reduziert Kunst auf Kulinarik und Kultur auf Unterhaltung – und will damit seinem Kultur- und Bildungsauftrag entsprechen. Einem nur an kaufmännisch richtigen Ergebnissen interessierten Denken mag das Recht sein, einem Gesetzgeber gegenüber, der auf die Einlösung der Aufgaben des durch sein Gebührenrecht gegenüber andern AnbieterInnen privilegierten Senders zu achten hat, lässt sich das nur als Verhöhnung begreifen. Heißt es doch, der ORF macht, was er will, und weist im Zweifel alles, was er macht als seinen gesetzlichen Auftrag aus. 

Auswirkungen für gesamten Kunst- und Kulturbereich

Von seinem jüngsten Sparpaket wegen u.a. der nicht mehr weiteren Refundierung von Gebührenbefreiungen ist der gesamte Kunst- und Kulturbereich betroffen. Neue Filmprojekte werden genauso abgesagt wie die Unterstützung des österreichischen Musikfonds beendet und Sendungen und Veranstaltungen, die seit Jahrzehnten Fixbestandteile des Programms sind, abgeschafft werden. Zu diesen abgeschafften Fixprogrammbestandteilen zählen der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und die „Musikprotokolle“ des steirischen herbstes in Graz. 

Eine Studie im Auftrag des ProduzentInnenverbands Association of Austrian Filmproducers belegt eindrücklich die Auswirkungen dieser Sparpolitik: 2.000 Arbeitsplätze in der Filmbranche gehen verloren, 170 Unternehmen sind bedroht. Der Arbeitsplatzabbau zieht Sozialtransfers von etwa 12 Mio. Euro und Steuerausfälle in Höhe von 39 Mio. Euro nach sich. 2014 werden dadurch 17 Tage österreichisches Programm von den Bildschirmen verschwinden. Die ohnedies schlechte Beschäftigungssituation von Kunst- Kultur- und Medienschaffenden wird sich weiter radikal verschlechtern.

Wir, als Vertretungen von Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, fordern daher den ORF dazu auf, seinem Kulturauftrag im vollen Umfang zu entsprechen, inkl. Weiterführung des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, der Unterstützung des österreichischen Musikfonds, der Kooperation mit dem steirischen herbst bei den „Musikprotokollen“ sowie von sämtlichen aus Gründen des Sparkurses jetzt gestrichenen Sendungen. Die Produktion von erfolgreichen Serien, Spiel- und Dokumentarfilmen muss in vollem Umfang erhalten bleiben.

Wir fordern den ORF dazu auf, den Sparstift bei den explodierenden Sport- und Unterhaltungsrechtekosten anzusetzen. 

Wir fordern den ORF dazu auf, das Film-Fernsehabkommen in voller Höhe weiterzuführen.

Am ohnehin geschrumpften Volumen der Kunst- und Kulturprogramme darf sich nichts mehr zum Schlechteren ändern. Für jedes in Zukunft nicht mehr fortgeführte Projekt ist ein gleichwertiger Ersatz zu schaffen und dafür der Beleg zu erbringen. Darüber hinaus soll sich der ORF dazu verpflichten, in Zusammenarbeit mit Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen gemeinsame statistische Grundlagen zu erarbeiten, die Überprüfungen von Entwicklungen erlauben.

Mit freundlichen Grüßen,

Dachverband der österreichischen Filmschaffenden, Maria Anna Kollmann
Fachverband der Film- und Musikindustrie Österreichs, Werner Müller
IG Autorinnen Autoren, Gerhard Ruiss
IG Freie Theaterarbeit, Sabine Kock
IG Kultur Österreich, Elisabeth Mayerhofer
Kulturrat Österreich, Maria Anna Kollmann
Musikergilde, Peter Paul Skrepek
Österreichischer Musikrat, Harald Huber

[*] Das UNESCO-Übereinkommen ist für Österreich seit 2007 rechtlich bindend und verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden zu Schutz und Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Eine wesentliche Rolle für Produktion, Verbreitung und Zugang zu einem breiten Spektrum an Kunst und Kultur kommt dem öffentlichen Rundfunk zu, wie Artikel 6 des Übereinkommens festhält.  
(1) Dadurch wurde das ORF-Gesetz im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag verletzt.'




Die Verteidiger formieren sich

03/07/2013 | Salzburger Nachrichten Nr. 152 |

[...] Internetkultur. Ein kleines Festival findet über das Internet große Freunde. Diese unterstützen das „musikprotokoll“ und wettern gegen den ORF, wie der Bariton Georg Nigl.

Wien (SN-hkk). Im großen Weltreich, weit abseits von der Generaldirektion, lebt ein für die Hauptstädter unscheinbar gewordenes kleines Festival. Weil dieses – nämlich das „musikprotokoll“ – jetzt bedroht ist, hebt ein Widerstand an, der Staunen macht: Die Verteidiger formieren sich im Internet unter „rettetdasmusikprotokoll.mur.at“. Viele Musiker, Studenten und Leute aus der Musikbranche haben unterschrieben. Aber auch solche Prominente exponieren sich dort, die sogar für Quotenansprüche des ORF tauglich wären: Brigitte Kowanz, Olga Neuwirth, Elfriede Jelinek, Andrea Breth, Martin Kusej, Luc Bondy oder Peter Pakesch.

Ein Unterzeichner ist der Bariton Georg Nigl. Er ist am vorigen Wochenende mit Martin Grubinger im Wiener Konzerthaus aufgetreten und hat u. a. im Theater an der Wien vor drei Jahren als Wozzeck Furore gemacht.

Warum engagiert er sich so für das „musikprotokoll“? Die Kunst sei an ihren Rändern nie massentauglich, sagt Georg Nigl. Doch an diesen Rändern tummle sich die Avantgarde, also die Vorhut, „die uns davor schützt, museal zu werden“. Ein Festival wie das „musikprotokoll“ sei nötig, „damit wir Menschen in unserem Denken, Fühlen und Erahnen gezwungen sind, nicht stehen zu bleiben“.

Ihn empöre nicht, wenn dort oder da gespart werden müsse oder ein Konzept überdacht werde. Empörend sei vielmehr die Art der Entscheidung: Da werde bloß auf eine Budgetzahl hingedeutet und diese durchgestrichen. Doch „die technokratischen Schädeln im ORF wissen nicht, was sie da anrichten. Sie haben keine Ahnung über Bedeutung und Inhalte von Festivals wie Bachmann-Preis und ,musikprotokoll‘“, kritisiert Georg Nigl. „Sie wissen offenbar nicht, wer Ligeti, Nono, Boulez, Jonke und Tellkamp sind.“

Auf die Frage, was das Ende des „musikprotokolls“ bedeutet, findet Nigl zwei Vergleiche.

Erstens: Das sei so, wie wenn man sich vornähme, „aus den Lipizzanern Leberkäs zu machen“. Zweitens: Das sei so, wie wenn man im Garten sein Glashaus zertrümmere und damit alle Jungpflanzen und künftige Ernten zerstöre. Das heißt: „Wer so denkt, kappt seine Zukunft.“

Wäre er selbst nicht 1988 mit seinem Lehrer beim „musikprotokoll“ gewesen, hätte er niemals begonnen, sich mit zeitgenössischer Musik zu beschäftigten, schildert Georg Nigl. Als Künstler sei er dort erst ein Mal aufgetreten, doch oft sei er als Besucher beim „musikprotokoll“. Er führt viel Zeitgenössisches auf, viele Komponisten – wie Georg Friedrich Haas, Olga Neuwirth, Wolfgang Mitterer und Friedrich Cerha – haben Werke für ihn komponiert. „Ich bin nicht der Sänger, der überall den Don Giovanni auf und ab singt, das hat mich nie interessiert.“

Seinen Zorn über die Sparpolitik des ORF fasst Georg Nigl im Satz zusammen: „Die technokratische Dumpfbacken wollen sich an der wollmilchlegenden Quotensau festkrallen.“

Der ORF hingegen hat in der Vorwoche beteuert: Der Eindruck, dass „bei der Erfüllung seiner Sparvorgaben“ der Bereich der Kultur unverhältnismäßig stark belastet werde, sei falsch. Sondern: „Kultur war, ist und bleibt eine solche Kernaufgabe des ORF.“ Es müsse und werde auch „bei anderen Programmen zu spürbaren Einschnitten kommen – darunter bei einer Reihe von Unterhaltungsformaten, Show-Events, Doku-Soaps“.

Zudem habe der ORF die Aktivitäten im Bereich Kultur in den Vorjahren ausgebaut, stellt Alexander Wrabetz fest und nennt als Beispiele ORF III und „zahlreiche zusätzliche Übertragungen im Hauptprogramm“. Er versichert: „Ich setze mich – auch gegen erheblichen Widerstand von verschiedener Seite – für Erhalt und Stärkung des ORF als wichtigste Kunst- und Kultur-Vermittlungsinstitution Österreichs ein.“ [...]




Krieg ich nicht g’nua, dann amputier ich die Kultur

03/07/2013 | Falter Nr. 27/2013 | Klaus Nüchtern

[...] Verfolgte man die Proteste gegen den angekündigten Ausstieg des ORF beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, konnte man den Eindruck gewinnen, dieser sei der Fels, auf dem die ganze ORF-Kulturberichterstattung ruht: Würde er entfernt, stürzte das ganze öffentlich-rechtliche Gebäude unweigerlich ein.

[...] Die schiere Ausstiegsandrohung ist denn auch kaum verstörender als das prinzipielle Vorgehen von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Der hatte ganz offensichtlich von Anfang an darauf gesetzt, dass die diversen Einsparungsankündigungen im Kulturbereich die Szene schon in gehörige Aufregung versetzen und einen entsprechenden Wirbel verursachen würden. Und es hat ja auch funktioniert. Büchner- und Nobelpreisträgerinnen meldeten sich nicht nur in Sachen Bachmann-Preis zu Wort, sondern protestierten auch gegen den geplanten Ausstieg bei den Musikprotokollen des Steirischen Herbstes.

Wrabetz’ Strategie, "Krieg ich die entgangenen Gebühren nicht refundiert, amputier ich die Kulturberichterstattung“, ist freilich so unwürdig wie die ganze Angelegenheit symptomatisch. In Wirklichkeit hat der ORF nämlich gar kein Konzept, welche Kulturberichterstattung er aus welchen Gründen haben möchte. Er begnügt sich damit, das schlecht und recht Bestehende schönzureden. Niemand kommt auf die Idee, neue und - gerade im Fernsehen - fehlende Formate (warum gibt es kein Filmmagazin, keine eigene Literatursendung, kein Poparchiv …?) zu fordern, am allerwenigsten ORF-Kulturchef Martin Traxl, von dem in den letzten Tagen, Monaten und Jahren deplorabel wenig zu hören war. [...]




Künstler-Zores für den ORF

28/06/2013 | Kurier |

[...] Der geplante Rückzug vom musikprotokoll bringt dem ORF massive Kritik ein. Der streicht weiter Mittel, nun auch für den Musikfonds.[...] Das Musikprotokoll ist noch eines der wenigen Aushängeschilder für Neue Musik , seine Abschaffung wäre ein extremer Schaden für das Renommee Österreichs als so genannte Kulturnation und wieder ein Zeichen mehr für die Tendenz zur Provinzialität.  Jährlich 140.000.- kostet den ORF das Musikprotokoll, wobei  der Großteil des Gesamtbudgets aus EU-Förderung stammt.
Gebunden an Programminnovationen erhielt der ORF von 2010 bis 2013 eine Summe von 160 Millionen Euro aus österreichischen Steuergeldern. Aber wie versteht er seinen  Kulturauftrag,  - wenn er gleichzeitig für die  STARNACHT in der  WACHAU das x-Fache der KosDas Sparen im Kulturbereich bringt dem Milliardenunternehmen ORF wenige Hunderttausend Euro, der Imageschaden weitet sich aber langsam zu einer mittleren Katastrophe aus. Nachdem Schriftsteller im In- und Ausland über die Ankündigung des Öffentlich-Rechtlichen, den Bachmann-Preis nicht mehr unterstützen zu wollen (Kosten: 350.000 Euro) den Kopf schüttelten, nimmt nun die Protestwelle wegen der drohenden Kürzungen beim steirischen Festival für zeitgenössische und experimentelle Musik, dem musikprotokoll, volle Fahrt auf.

Auf der Internetseite rettetdasmusikprotokoll.mur.at findet sich eine Reihe prominenter Kritiker, die mit geharnischten Statements Richtung ORF gegen die Kürzungen protestieren. Scharfer Protest entfährt etwa Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek: „Der ORF scheint sich selbst ausradieren zu wollen, indem er seinen Kulturauftrag nicht mehr zu erfüllen gedenkt. Was dann folgt, ist nur mehr ein großes Nichts im Musikantenstall“, schreibt sie.  Sie kenne keine wichtigen heimischen Komponisten, für die das musikprotokoll nicht von großer Bedeutung gewesen sei. 
 Theater-Regisseur Martin Kušej lässt auf der Website ausrichten: „Langsam wird’s zu viel! Bachmann-Preis weg, Musikprotokoll weg ... nur mehr Dumpfbacken-TV ... NEIN!“ Sein Kollege Claus Guth sekundiert: „Soll Österreich zum totalen Museum werden?!“

„Dummheit“

Gesalzen fällt auch das Statement von Medienkünstler Peter Weibel aus: „Mit den nachmittäglichen Trash-Touren durchzieht ein vulgärer Faden den ORF. Niemand mehr unterstellt daher dem ORF, dass er an seinen eigenen Kulturauftrag glaubt“, ätzt er.  „Die Aufgabe des ORF musikprotokolls im steirischen herbst ist daher kein kulturelles Versagen, sondern nur wirtschaftliche Dummheit.“ Auch der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S), hält auf der Website fest, dass er sich wünsche, „dass das bleibt“.

Viele andere Kapazunder machten  auf der Website ihre Unterstützung für das Festival deutlich, darunter Matthias Naske, designierter Intendant der Wiener Konzerthausgesellschaft,  Thomas Angyan, Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Christian Scheib, Intendant des  Radio Symphonie Orchesters,  Roland Geyer, Intendant am Theater an der Wien, Hervé, General Manager Ensemble intercontemporain und  Andrea Seebohm, Ex-Musikchefin ORF-Hörfunk. Die bescheidene Ersparnis für den ORF beträgt übrigens 130.000 Euro.

Aus für Musikfonds

Weitere 100.000 Euro will der Öffentlich-Rechtliche beim Musikfonds streichen, mit dem jährlich zahlreiche Nachwuchshoffnungen aus dem Popbereich gefördert wurden. Mit einem von Generaldirektor Alexander Wrabetz gezeichneten Schreiben beendet der ORF mit Ende des Jahres seine Mitgliedschaft und damit die finanzielle Unterstützung des Musikfonds und begründet dies mit „schwierigen Herausforderungen im Bereich der Finanzierung“. Geschäftsführer Harry Fuchs zeigte sich über die Entscheidung  enttäuscht, beinhalte der Programmauftrag doch auch die Förderung „heimischer künstlerischer und kreativer Produktion“.

Der Musikfonds hat in den vergangenen acht Jahren seines Bestehens 452 Musikproduktionen sowie 120 Konzerttourneen mit insgesamt rund fünf Mio. Euro unterstützt. Laut ORF sind die Mittel an die Gebührenrefundierung geknüpft, die nicht verlängert wird. Die Bedingung sei in der Musikcharta 2009  vereinbart, argumentiert der ORF, der betont, österreichische Musik auch im Programm zu fördern. Die Unterstützung des Musikfonds sei „nur ein Teil der massiven Förderung von heimischer Musik durch den ORF.“ [...]




Kulturpolitik zwischen Rotstift und Rabaukentum

28/06/2013 | Der Standard | Kommentar der Anderen, Rüdiger Wischenbart

[...] Die öffentliche Hand ist in Österreich der wichtigste Förderer von Kunst und Kultur, um einerseits eine solide Finanzierung des künstlerischen Schaffens zu gewährleisten und andererseits mit dieser Haltung auch kräftig Werbung für die "Kulturnation" zu betreiben. Das galt lange Zeit als stabiler kulturpolitischer Konsens der Zweiten Republik. Damit konnten Kunstminister beim Finanzminister ordentliche Budgets herausverhandeln. Und deshalb zahlen wir alle auch brav ORF-Gebühren, in einem Mix aus Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Kulturauftrages der Anstalt und gleich auch den drangehängten Landeskulturabgaben. De facto ist die Gebühr eine Kultursteuer. 

Wenn nun das ORF-Management, in der Intention zynisch, aber vermutlich auch unbedarft pokernd, Bachmann-Preis und Musikprotokoll zur Disposition stellt in seinem Feilschen mit der Regierung um eine Refundierung von Gebührenbefreiungen, dann agiert es einerseits schlicht aus der Logik eines Staatsfunks, der sich an seine Herrschaft wendet. Zum anderen aber bricht es paradoxerweise dieses bisher gültige öffentlich-rechtliche Arrangement: Der ORF präsentiert sich schlicht als rücksichtsloser privater Mäzen, der glaubt, nach Belieben schalten und walten zu dürfen, ohne jeden Sinn für seine gesellschaftliche Verantwortung, die überhaupt erst die Einhebung der ORF-Gebühren rechtfertigt.

Bisher galt solch ein Rabaukentum als typisch für reiche Individuen, die mit ihrer privaten Unterstützung von Kunst andere Interessen bedienen würden als den Gemeinnutzen, weshalb der öffentlichen Hand die Rolle des verantwortungsbewussten Geldgebers auch so gut ansteht.

Die aktuellen ORF-Ankündigungen haben natürlich sofort den gewünschten breiten Protest hervorgerufen, und es ist zu vermuten, angesichts der ersten zaghaften offiziellen Reaktionen beim Bund und in Kärnten, dass zumindest für Klagenfurt Geld irgendwo gefunden und die Veranstaltung unter der Selbstzufriedenheit aller dann Beteiligten letztlich fortgeführt werden wird. Beim Musikprotokoll bin ich mir allerdings schon nicht mehr so sicher über den aktuellen Kurswert der Wetten.

Der Bruch mit solchen Traditionen der Verantwortung, Berechenbarkeit und Kontinuität scheint indessen ein grundsätzliches Problem sichtbar zu machen. [...]



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