rettetdasmusikprotokoll.mur.at

Die Drohung, das musikprotokoll im Steirische Herbst und den Ingeborg-Bachmann-Preis nicht mehr zu veranstalten, steht in einer ganzen Reihe kulturfeindlicher Aktionen, die der ORF seit den 1990er Jahren immer wieder mehr oder weniger erfolgreich durchzuführen sucht.Der langsame Abbau des ORF als Produktionsstätte von hervorragenden Aufnahmen neuer Musik seit Mitte der 1990er Jahre, die Ersetzung kompetenten Personals durch überforderte und mehrere Tätigkeiten ausübende Personen im Aufnahme- und Produktionsbereich, die Tendenz, neue Musik prinzipiell aus den Tagsprogrammen des ORF zu verbannen und Ihnen die Zeit knapp vor Mitternacht zuzuweisen, die Hintanstellung des Kulturauftrags, die krasse Außerachtlassung der Informationspflicht bei Veranstaltungen mit neuer Musik, die Auflösung des ORF-Chores, die Vernichtung wichtiger Bänder und Dokumentaraufnahmen bereits seit den 1980er Jahren, die ständige Existenzbedrohung für die eigenen Klangkörper wie das RSO …Tut der ORF nicht alles, um den Non-mainstrem erfolgreich zu verstecken, und dadurch das Bild Österreichs in der Öffentlichkeit zu verzerren? Eine Umkehr dieser schädlichen Entwicklung ist überfällig. Es genügt nicht, das ‚musikprotokoll’ zu retten. Wir müssen auch neue Zentren der neuen Musik schaffen. Wir müssen wieder Studioproduktionen machen können, die Dokumente der Musik unserer Zeit sein werden. Dazu wird der ORF als Partner gebraucht. Wenn sich der ORF seiner Verantwortung entzieht, muss man die dortigen Verantwortlichen und den dahinter stehenden politischen Entscheidungsträgern das Vertrauen entziehen und sie durch kompetente Leute  ersetzen. Leute, die nichts mit politischen Parteien zu tun haben und sich auch keinen politischen Zwängen beugen, Fachleute, die dem ORF den Status zurückgeben, den er einst hatte: ein freier, ideenreicher, kulturbewusster Faktor zu sein. Oder wollen wir in einigen Jahren überhaupt um den Bestand dieser Institution (wie in Griechenland) besorgt sein müssen? Die Rettung des ‚musikprotokolls’ ist nur ein Punkt. Denn der ORF zieht sich schon seit Jahren immer stärker von seiner Verantwortung zurück. In einer Zeit, in der sich in Österreich vor allem eine Kultur für Touristen durchgesetzt hat, stellt sich die Frage, wie sich Österreichs Künstler dieser zunehmenden Marginalisierung stellen wollen: als Mitläufer, als Kritiker, als im Elfenbeinturm lebende weltfremde Individualisten oder als revolutionäre Kämpfer?  René Staar
Komponist und
Mitglied der Wiener Philharmoniker
Künstlerischer Leiter Ensemble Wiener Collage